Ein Küchenchef sagt Food Waste den Kampf an

Food Waste lässt sich überall reduzieren

Mann mit Bananenbrot

Christian Adam probiert vom Bananenbrot, das er aus Abfallbananen herstellt.

Sich in einem Grossbetrieb gründlich mit Food Waste auseinanderzusetzen, erfordert viel Zeit, Engagement und Energie. Christian Adam, Leiter Gastronomie der Universitären Altersmedizin Felix Platter in Basel, macht Nägel mit Köpfen und verhindert Lebensmittelabfälle.

Vier Wochen systematische Erfassung von Lebensmittelabfällen zeigten ein eindrückliches Resultat: Suppe, Brot, Stärkebeilagen, Gemüse und Früchte, aber auch Fleisch landeten erstmals für alle mengenmässig sichtbar im Abfall. «Meine Leute waren betroffen, wieviel Essen bei uns verschwendet wird», sagt Christian Adam, Leiter Gastronomie bei der Universitären Altersmedizin Felix Platter in Basel. Zwar fielen auch Rüstabfälle an, den grössten Teil der nicht verzehrten Lebensmittel machten jedoch die Mahlzeiten von Patientinnen und Patienten aus.

«Nachhaltiger werden, ist nie einfach.»

Als der Küchenchef im Frühling 2022 sein 42-köpfiges Team informierte, dass während eines Monats sämtliche Retouren sowie Rüstabfälle in der Küche gesammelt und gewogen würden, war nicht jeder begeistert. Die Erfassung war schliesslich ein Zusatzaufwand, der neben dem normalen Betrieb auch noch gestemmt werden musste. Christian Adam liess sich nicht beirren. «Nachhaltiger werden, ist nie einfach. Es erfordert Grips, Effort und viel Aufklärung». Zur Veranschaulichung wurden in der Küche und an weiteren Orten im Betrieb durchsichtige Kunststoffbehälter aufgestellt und für jedes Lebensmittel entsprechend beschriftet. Abends wurde alles gewogen und in einer Tabelle detailliert festgehalten.

Ein Kilo Food Waste kostete laut dem Branchenverein «United Against Waste» einen Betrieb 2016 durchschnittlich 24 Franken. Heute dürften es inflationsbereinigt mehr als 30 Franken pro Kilo sein. «Es geht uns nicht in erster Linie ums Geld. Verschwendung ist einfach nicht mehr zeitgemäss», ist Adam überzeugt. Für das Food-Waste-Projekt hat sich der 57-Jährige, der auch Prüfungsexperte beim Schweizer Kochverband ist, fachliche Unterstützung von «Foodways» geholt. «Das war sehr hilfreich und wertvoll», sagt der Küchenchef, «das Projekt hat uns gezwungen, uns zu hinterfragen und geholfen, zu handeln. Food Waste lässt sich überall reduzieren.»

«Food Waste aufzuspüren ist reinste Detektivarbeit.»

Nachdem die Küchencrew unter Christian Adam einen Monat lang «sehr viele» Stunden investierte, folgte die gründliche Analyse und «reinste Detektivarbeit». Doch das genaue Hinschauen lohnte sich und brachte zahlreiche Erkenntnisse. Bei den Patienten etwa waren die Portionen zu gross, insbesondere beim Frühstück. Viel Tomatensalat kam zurück, weil die Haut Mühe bereitete. Trauben mit Kernen wurden gemieden, da diese sich im Gebiss verfangen können und Schmerzen verursachten. Eine Quelle von Food Waste war jedoch auch das Freeflow-Buffet für die Mitarbeitenden sowie das Salat- und Dessertbuffet. Verschwendungsfallen wurden auch in der Küche gefunden, etwa bei grossen Verpackungen. «Schneidet man eine leere Zehnliter-Ölpackung auf, kann man mit dem Gummischaber noch einen halben Liter Öl herausholen.»

Aus den Erkenntnissen wurden bald erste Lösungsansätze. Zum Frühstück erhalten die Patienten zukünftig auch halbe Portionen Brot und weniger Milch zum Kaffee. Die Tomatenhaut für den Tomatensalat wird abgeschält; jetzt kommt der Salat besser an. Es werden nur noch kernlose Trauben aufgetischt und Früchte, die noch hart sind, bleiben zum Nachreifen in der Küche. Und die Schöpfkellen für die Patienten wurden durch kleinere ersetzt. «Reklamationen gabs keine.» Während für die Patienten bereits am Vortag klar ist, wie viele halbe und ganze Portionen es braucht, ist es bei den rund 960 Mitarbeitenden ein Roulette, wie viele im Betrieb essen werden. Aber auch hier gibts Massnahmen. «Bei den Menü-Tellern fragen wir jede und jeden, wie gross der Appetit heute ist. Entsprechend wird geschöpft.» Das Freeflow-Buffet wie auch das Salat- und Dessertbuffet werden bis zum Ende der Mittagspause nicht mehr komplett nachgefüllt, ganz nach dem Motto: Es hat, solange es hat. «Wichtig war, den Mitarbeitenden klar zu sagen, dass wir unseren Food Waste eindämmen wollen», betont der Küchenchef. Er erklärt, wie hierfür die internen Kommunikationskanäle genutzt werden. «Das Thema ist im Betrieb sichtbar und die Leute sind sensibilisiert».

«Unsere Massnahmen tragen bereits Früchte.»

Da im Felix Platter auch auf Nachhaltigkeit geachtet wird, wurden die Menüpläne und Rezepte entsprechend angepasst. Fleisch und Fisch gibts weniger oft, der vegetarische Anteil wurde deutlich erhöht. Und bei Früchten und Gemüse wird noch konsequenter auf Saisonalität geachtet. Weshalb aber werden retournierte Gemüse und Früchte nicht für Suppen und Desserts verwendet? Und übriges Brot für Croutons? «Alles, was von den Patienten zurückkommt, könnte mit multiresistenten Keimen und Viren belagert sein», erklärt der engagierte Küchenchef. Anders sei es bei den Überschüssen vom Personalrestaurant und dem Café. Alles was weniger als zwei Stunden draussen war, werde schockgekühlt und zu «vernünftigen Menüs» zu reduzierten Preisen zusammengestellt.

Damit die Küchenchrew auf dem eingeschlagenen Weg bleibt, gibt es gelegentliche Probemessungen. Im April 2023, im gleichen Zeitraum also wie ein Jahr zuvor, werden nochmals einen Monat Food Waste gewogen und hoffentlich gewichtige Verbesserungen festgestellt. Christian Adam zeigt sich optimistisch: «Unsere Massnahmen für Klima und Umwelt tragen heute schon Früchte und werden fortlaufend optimiert.»

felixplatter.ch

 

Die Universitäre Altersmedizin Felix Platter (UAFP) in Basel beschäftigt rund 960 Mitarbeitende, was 730 Vollzeitstellen entspricht. Vor der Pandemie wurden täglich bis zu 1200 Mahlzeiten für Patienten, Mitarbeitende und externe Gäste frisch zubereitet. Aktuell sind es an die 1000, wovon die Patienten rund einen Viertel essen. Sofern Corona nicht für Einschränkungen sorgt, betreibt die UAFP ein öffentlich zugängliches Restaurant und ein Café. Der sorgsame Umgang mit Ressourcen und die Verpflichtung zur Nachhaltigkeit stehen im Leitbild vom Felix Platter. Die Lebensmittel werden möglichst regional und saisonal eingekauft.

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