Gastrorollbar – ein kulinarischer Wanderzirkus

Erfolgsrezept machen, was man gerne macht

Gastrorollbar – ein kulinarischer Wanderzirkus Grass Essen Leute

Die Gastrorollbar liegt im idyllischen Volksgarten in Glarus.

Heimweh ist ein guter Motor für Innovation. Jedenfalls beim Gastroprofi Fabian Noser, der nach einer Tour durch Restaurants und Hotels an unterschiedlichsten Orten zurück in seine Heimat Glarus wollte. Und dort nun frischen Wind in die Gastroszene bringt.

Im Volksgarten im Städtchen Glarus war es lange ruhig. Bis Fabian Noser auftauchte. Pittoresk liegt dieser in der Nähe des Bahnhofs, gleich neben dem Kunsthaus, das wie Noser mit seiner saisonalen Gastrorollbar klein, aber fein auftritt. Erster Eindruck: die Sonnenschirme sind edel Uni-beige und ohne irgendwelche Bierbrauereien-Logos. Da ist jemandem ein gepflegter Auftritt offenbar wichtig.

Ein ausrangierter Bauwagen wird zu einem neuen Gastrokonzept

Ganz fair ist das natürlich nicht, mit den Sonnenschirmen anzufangen. Schliesslich steht hier der Rollwagen, der über einer Palettenrampe thront, im Zentrum. Rundherum stehen wie locker verstreute Konfetti, die Holztische für die Gäste. «Unser Zirkuswagen», schmunzelt Noser. Diesen hatte er als ausrangierten Bauwagen Jahrgang 1964 über Ricardo im Aargauischen gefunden. «Er wurde als Hühnerstall genutzt. Man kann sich also in etwa vorstellen, wie er aussah!» Mithilfe einer kleinen Truppe befreundeter Handwerker:innen und anderer geschickter Hände, entstand die Gastrollbar auf acht Quadratmetern mit allem, was es dazu braucht: Elektrizität für Licht, Kaffeemaschine und Kühlschrank, eine Theke und Regale. Und dazu eine neue Verschalung und ein wasserdichtes Dach.

«Der Wagen ist hier das Wichtigste. Teil des Konzepts ist, dass die Gäste diesen beim Bestellen direkt erleben können.»

Noser, der Koch gelernt hatte und später die Hotelfachschule in Luzern absolvierte, organisierte während eines Praktikums in Florenz erste Anlässe und war später im Eventmanagement tätig. «Was mir sehr viel Spass machte», sagt er. Neben dem Heimweh, das ihn in der Zigerschlitz zurückbeförderte, sah der Junggastronom ein grosses Potenzial in seiner Heimat. «Es fehlt an einer ganzen Gastronomen-Generation. Viele Betriebe sind hier noch alte Schule.»

Grosses Potenzial im ländlichen Gebiet

Dass Essen mit klassischer Menüabfolge Vorspeise, Hauptspeise, serviert in einer traditionellen Restaurantstube, nicht mehr das Mass aller Dinge ist, war Noser klar. Die Idee des wandernden Gastro-Zirkuswagens kam ihm 2017. «So ganz genau weiss ich auch nicht, wie ich darauf gekommen bin. Sie war einfach plötzlich da.» Er hatte sich gerade selbständig gemacht mit der Gastrowärchstatt für Events und Gastro-Consulting. Grosse Investitionen lagen da nicht drin. Aber er wusste, dass er sehr viel Spass haben würde damit.

«Ich denke, genau das braucht es, damit die Gäste gerne kommen» philosophiert Noser. «Ein Betrieb, bei dem man die Freude heraus spürt, wo alles unkompliziert und authentisch ist. Und der Gast ein emotionales Erlebnis, eine gute Stimmung, mit nach Hause nehmen kann.» Von allzu inszenierter Erlebnisgastronomie hält er jedoch nicht viel. «Es muss ehrlich sein und sollte mit Gefühl und viel Liebe zum Detail umgesetzt werden.» Auch wenn die emotionale Ebene eine grosse Rolle spielt, ist Noser auch Geschäftsmann. «Es braucht ein Konzept, eine strenge Kalkulation, ein gekonntes Einsetzen der zur Verfügung stehenden Mittel und die Fähigkeit, das Beste aus dem, was man hat, herauszuholen.»

«Eigentlich sind wir eine Snackbar – eine mit Niveau.»

Das Foodkonzept war schnell entwickelt. Noser erinnerte sich an die einfachen, aber köstlichen, frisch zubereiteten Panini, die er in Florenz so genossen hatte. Ein perfektes Angebot für die Gastrorollbar, in der es keinen Platz für eine Küche hat. Da sie von 9 Uhr morgens bis 23 Uhr abends geöffnet ist, setzt Noser auf ein hochwertiges Getränkeangebot. Die Morgengäste können vom Ristretto bis zum Latte Macchiato so ziemlich alles an Kaffeespezialitäten bestellen – das zum von Hand geformten Brioche. Mittags wählt man aus einem sorgfältig kuratierten Angebot sein Getränk zum Panino. Selbstgebackene Kuchen versüssen zu Gourmet-Kaffee und Edel-Tee den Nachmittag. Und einen besonders guten Ruf hat sich die Gastrorollbar mit Cocktails und Aperitivi erworben. Neben Klassikern gibt’s auch neue, interessante Kreationen wie etwa der Apéro ‘Prickelnder Tanz’, der auf Passionsfruchtliquör basiert. Noser: «Jeden Monat gibt’s etwas Neues.»

«Wir verkaufen Emotionen und ein tolles Erlebnis.»

Die Gastrorollbar hat sich in Glarus gut etabliert. Sie bringt frischen Wind in die statischen Strukturen. Und offenbar Lebensfreude. Das sieht man an den zufrieden lächelnden Gesichtern der Gäste. Und sie ist auch zu einem generationenübergreifenden sozialen Treffpunkt geworden. Der Event-Manager Noser hat das Potenzial erkannt, mit Anlässen, Märkten und Tastings eine Art Marktplatz zu schaffen.

Angefangen hat es mit dem Format ‘Live @Gastrorollbar’, an dem lokale Musiker auftreten. «Unplugged», erklärt Noser. «Wie Strassenmusik, sodass man sich immer noch unterhalten kann als Gast.» Ursprünglich war die Idee, damit mehr Gäste anzulocken, doch dann kamen Anfragen wie etwa jene der Glarner Lindy-Hop-Clique. Diese nutzt nun im Sommer jeweils am Mittwoch das Gelände als eine Art Freiluft-Übungsraum – mit einem Publikum, das gerne auch mittanzen darf. Und es gibt einen Markt, an dem Glarner Hersteller von Food-Produkten ihre Ware feilbieten. Und auch einen Second-Hand-Markt «Kaufrausch», der von einer Gastrorollbar-Mitarbeiterin organisiert wird. Aber auch Food- oder Getränke-Einführungen lokaler Produzenten wie Adler Bräu oder Ännädaner Brot-Gin. Neu sind die Liquid Master Classrooms, an dem und Spirituosen- und Wein-Tastings mit Experten durchgeführt werden.

Die Gastrorollbar rollt in die Berge

Im Sommer hat der Zirkuswagen sein Plätzchen im Volksgarten gefunden, voller Ideen und manchmal auch mit ein paar ‘Flausen im Kopf’. Sind die wärmeren Tage vorbei, rollt er in die Berge nach Braunwald im Glarner Hinterland und hält die Wintergäste in Trab. Weitere Standorte sollen gemäss Noser folgen. Aber dazu braucht er einen zweiten Zirkuswagen «und der ist nicht so einfach zu finden», – und geeignete Standplätze. Was beim Erfolg der Gastrorollbar wohl nicht ganz so schwierig sein wird. Es läuft nämlich sehr gut damit.

gastrorollbar.ch
gastrowaerchstatt.ch

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