Worauf muss ich achten, wenn ich weniger Fleisch essen will?

«Wichtig ist, dass die Veränderung schrittweise erfolgt»

Professorin Christine Brombach ist eine der spannendsten Ernährungswissenschaftlerinnen der Schweiz. Weil sie keine extremen Dogmen predigt, sondern Mittelwege sucht. Ein paar Ernährungstipps von der Expertin.

«Einen Moment noch», sagt Christine Brombach, als sie den Anruf entgegennimmt. «Ich habe etwas im Backofen, das ich rausnehmen muss.»

Wenig später ist sie zurück. Und sofort voll bei der Sache. Christine Brombach, Professorin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil, ist eine der spannendsten Ernährungswissenschaftlerinnen der Schweiz. Nicht weil sie besonders extreme Sachen sagen würde, sondern weil sie genau das nicht tut. Sie sagt nie: «Es gibt nur diesen Weg, Punkt.» Sie sagt immer: «Man kann es so machen, aber auch so.» Sie sagt: «Es gibt diese Möglichkeit, aber auch jene.»

 

 

Das macht es so angenehm – und inspirierend! –, mit ihr übers Essen zu sprechen. Zum Beispiel über die verschiedenen Ernährungstypen und die Frage, wie man sich reichhaltig und ausgewogen ernährt, egal ob man Fleischesser, Flexitarierin, Vegetarier oder Veganerin ist (mehr über die verschiedenen Ernährungstypen lesen Sie in unseren «Facts & Figures»). 

Zunächst einmal gehören zu einer reichhaltigen und ausgewogenen Ernährung ein paar Dinge, die für alle Ernährungstypen gleich sind. Hier zehn Empfehlungen der «Deutschen Gesellschaft für Ernährung» für eine gesunderhaltende Kost:

  1. Lebensmittelvielfalt geniessen
  2. Gemüse und Obst («5 am Tag»)
  3. Vollkornprodukte bevorzugen
  4. Tierische Lebensmittel als Ergänzung
  5. «Gesunde» Fette verwenden (besonders empfehlenswert sind einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren)
  6. Mit Salz und Zucker sparsam sein
  7. Wasser als Getränk bevorzugen
  8. Speisen schonend zubereiten
  9. Achtsam essen – geniessen! (Und auf emotionales Essen achten)
  10. In Bewegung bleiben und aufs Gewicht achten

Vom Fleischesser zum Flexitarier – wie geht das?

Aber lassen Sie uns jetzt ein kleines Gedankenspiel machen, Frau Brombach! Angenommen, man ist Fleischesserin – verzehrt also beinahe täglich Fleisch –, möchte sich nun jedoch zunehmend flexitarisch ernähren. Sei’s aus ethischen, gesundheitlichen oder ökologischen Gründen. Wie soll man das anstellen?

«Wichtig ist immer, dass die Veränderung schrittweise erfolgt», sagt Christine Brombach. «Am Ende muss ich ja vor allem schauen, dass ich alle Nährstoffe aufnehme, die mein Körper benötigt. Fehlt nur ein Nährstoff, kann ich eine Menge Erkrankungen erleiden. Es geht um das richtige Mass, und das finde ich nur, wenn ich nicht von heute auf morgen alles komplett anders mache.»

Konkret bedeutet das: Wenn man Spaghetti Bolognese bisher mit Hackfleisch gemacht hat, könnte man versuchen, statt Hackfleisch mal Sojahack zu nehmen. Man ersetzt die Zutaten also quasi 1-zu-1, man stellt sicher, dass von einem bestimmten Nährstoff – hier: Proteinen – nicht plötzlich etwas fehlt. «Es führt kein Weg daran vorbei», sagt Christine Brombach, «dass man anfängt, sich richtig mit Essen auseinanderzusetzen und sich zu fragen: Was könnte ich denn noch versuchen? Wie kann ich anders kochen, dass es mir aber auch immer noch schmeckt und Spass macht und ich es gut in meinen Alltag integrieren kann?»

 

 

«Die vegetarische Ernährung ist eine absolut vollwertige Ernährung»

Nächster Schritt: Jemand möchte gar kein Fleisch mehr essen. Also von flexitarisch zu vegetarisch. Wie geht das, Frau Brombach?

«Auch da würde ich schleichend vorgehen. Und grundsätzlich würde ich sagen: Es ist schon sehr gut, wenn man den Fleischkonsum von – sagen wir – sieben- auf viermal pro Woche reduziert. Das ist gut für die Umwelt, aber auch gut für die eigene Gesundheit und die des Planeten. Ich bin nicht der Meinung, dass man sich unbedingt fleischlos ernähren muss, wir leben in einem Land mit so vielen Wiesen und Weiden, dass die Viehhaltung in vielen Fällen die einzige Möglichkeit ist, Boden überhaupt für die Nahrungsmittelerzeugung zu nutzen. Wer sich aber fleischlos ernähren will, dem kann ich sagen: Die vegetarische Ernährung ist eine absolut vollwertige Ernährung. Ausser Fleisch und Fisch kann man alles essen. Über Kuhmilch, Milchprodukte und Eier bekommt man genug Eiweiss und auch alle Spurenelemente, die man braucht.»

Ein paar Dinge mehr berücksichtigen muss nun allerdings, wer noch einen Schritt weitergehen und Veganerin oder Veganer werden will. Wobei laut Christine Brombach auch in diesem Fall wieder gilt, dass man sich ohne Probleme genussvoll und auch ausgewogen ernähren kann. Es gibt selbst in der traditionellen Schweizer Küche genügend vegane Rezepte. Man bezeichnet sie nur einfach nicht als das. «Denken Sie nur an Apfelmus!», ruft Christine Brombach beinahe vergnügt. «Oder denken Sie an die allermeisten Blätterteige, die Sie im Laden kaufen! Die sind auch alle vegan, denn sie enthalten nicht Butter, sondern Margarine.»

Worauf muss man auf dem Weg zum Veganismus nun aber besonders achten?

Christine Brombach: «Das wichtigste Stichwort ist Vitamin B12, denn das braucht man, es ist aber wirklich nur in tierischen Lebensmitteln enthalten. B12 muss man also durch ein Supplement ersetzen. Alles andere aber – zum Beispiel Eisen und Kalzium – kann man auch über pflanzliche Quellen zu sich nehmen. Man muss nur schauen, dass man die Lebensmittel gut kombiniert, weil der Körper nicht alle Lebensmittelkombinationen gleich gut verträgt bzw. nicht alle Nährstoffe in jeder Kombination gleich gut aufnehmen kann. Das kann bei einer Umstellung auf Veganismus eine Herausforderung sein, weil man nicht darum herumkommen wird, neue Rezepte auszuprobieren, die man noch nicht kennt.»

Hier eine kleine Übersicht von Christine Brombach zu wichtigen Nährstoffen und wie man als Veganer:in sicherstellt, dass man nicht plötzlich einen Mangel erleidet:

  • Proteine: Streben Sie nach günstigen Protein-Kombinationen für hohe biologische Wertigkeit. Vegane Quellen: Sojaprodukte, Seitan, Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Amarant, Quinoa, Nüsse, Samen, Kerne, Weizenkeime.
  • Eisen: Kombinieren Sie pflanzliches Eisen mit Vitamin C für eine bessere Aufnahme. Quellen: Samen, Kerne, Hülsenfrüchte, grünes Gemüse, Vollkorngetreide, Amarant, Quinoa, Weizenkeime.
  • Vitamin B12: Beachten Sie, dass Supplementation oft notwendig ist. Quellen: Bakteriell fermentierte Lebensmittel (Sauerkraut, Algen) – allerdings reichen die alleine nicht aus.
  • Kalzium: Kalium aus Pflanzen kann Kalzium-Ausscheidung hemmen. Quellen: Grünes Gemüse, Nüsse, Samen, Kerne, Amarant, Hülsenfrüchte, Sojaprodukte.
  • Omega-3-Fettsäuren: Erwägen Sie angereicherte Produkte oder Supplements, besonders in besonderen Lebensphasen. Quellen: Lein- und Hanfsamen, Baumnüsse und deren Öle, Rapsöl, Chiasamen, Sojaprodukte, Algen.
  • Vitamin D: Denken Sie an Sonnenlichtexposition und Winter-Supplementation. Pilze (vor allem Pfifferlinge und Steinpilze), Sonnenlicht.
  • Zink: Beachten Sie mögliche Anpassungsmechanismen trotz niedrigerer Zinkaufnahme. Quellen: Vollkornprodukte, Keimlinge (zum Beispiel Sojasprossen), Nüsse, Samen, Kerne, Weizenkeime.
  • Jod: Beachten Sie den Einfluss von Sojaprodukten und Hülsenfrüchten auf die Jodaufnahme. Quellen: Algen, jodiertes Salz.

à Lesen Sie zu diesem Thema auch den Artikel «Was wir über Eiweisse wissen müssen», in dem Christine Brombach Informationen zum täglichen Eiweissbedarf sowie fleischlose Rezepte teilt [In der Online-Produktion gerne ebenfalls verlinken!]

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