Trend Local Exotics – Reportage

Perfekt reife Exoten aus dem Tropenhaus

man sammelt früchte dschungel

Mit grosser Leidenschaft hegt und pflegt Tropenhausgärtner Christian Hänni seine lokalen Exoten.

Nirgendwo in der Schweiz findet man mehr lokale Exoten als im Tropenhaus Frutigen. Die tropischen Früchte, Gemüse und Gewürze inspirieren die Köche im hauseigenen Restaurant Tropengarten immer wieder zu neuen kulinarischen Entdeckungen.

Umringt von Bergen und auf einer Höhe von 800 Metern über Meer gibt es in Frutigen ein Stück Dschungel: Im Tropenhaus wachsen Bananenstauden und Papayabäume, Kumquats reifen und Ananaspflanzen spriessen. In den Treibhäusern werden nicht nur exotische Früchte und Gewürze angebaut, sondern in den Becken sibirischer Stör gezüchtet und Kaviar produziert.

Diesen Flecken Paradies macht das 18 Grad warme Wasser aus dem Lötschberg Basistunnel möglich. Würde man dieses ungekühlt in die heimischen Flüsse ableiten, wäre das die lokalen Fische eine Gefahr. So entstand vor zwölf Jahren das Tropenhaus, heute werden jährlich rund zwei Tonnen exotische Früchte geerntet und im Schweizer Detailhandel verkauft. 

Den Tropengarten erkunden Besucherinnen und Besucher über Themenpfade. Beispielsweise über den Bananen-Pfad: An die 47 Sorten Bananen wachsen hier, einige Stauden berühren das Glasdach, so gut gedeihen sie. Zu entdecken gibt es zudem einen Kaffeepfad, auf dem man lernt, wie der Kaffee von der Kirsche in die Tasse gelangt. 

 

Früchte und Gemüse perfekt reif

Spannend sind die lokalen Exoten für die Küchencrew des mitten im Dschungel liegenden Restaurant Tropengarten. Anders als andere Köche müssen sie sich keine Gedanken über lokale Köstlichkeiten machen, denn sie haben die volle Palette an exotischen Früchten zur Auswahl.

«Es gibt nichts Schöneres als perfekt reife Früchte und Gemüse.»

Gerade die Banane werden in den Gerichten weiterverarbeitet, vor allem bei den Desserts in allen Formen eingebaut. Ein geschmackliches Feuerwerk: Perfekt reif werden sie geerntet, weshalb sie unglaublich süss und jedes Gericht sensorisch unvergesslich machen.

Nicht nur die Frucht wird genutzt: Das Bananenblatt dient als Unterlage bei der «Gestörten Platte», auf der verschiedene Varianten des Störs serviert werden. Und sogar der junge Staudenstamm, der in seiner Beschaffenheit einem Stangensellerie gleicht, wird als knackige Komponente in Desserts integriert. Damit sie sich zum Süssen gesellt, werden sie in der Küche mit Rahm und Vanille aufgekocht.

tropenhaus-frutigen.ch

Klassische Küche trifft auf Exotik

Hier in Frutigen wird die klassische Küche mit asiatischem Stil ergänzt. Unterstützung bekommen die Köche von den Gärtnern, welche sich in der Zubereitung von Zitronengras, Papaya oder Chilis bestens auskennen und einige ihrer Kochtechniken der Küchencrew zeigen.

Mittags gibt es einfachere Gerichte und am Nachmittag ein kleineres Menü für Ausflügler. Überall sind die hauseigenen Produkte dabei. Beispielsweise die grüne Papaya, die sich durch hartes Fruchtfleisch auszeichnet und wie Gemüse zubereitet wird, findet man etwa mit Glasnudeln in dünn aufgeschnittenes Schweinefleisch gewickelt.

 

Überraschende Zubereitungen und Rezepte mit lokalen Exoten

Papayas, Ananas oder Bananen kennt mittlerweile jedes Kind. Spannender wird es bei den Exoten unter den Exoten. Im Treibhaus ist jede Pflanze angeschrieben, zum Beispiel die Pandan-Palme, deren Blätter in Desserts verwertet werden, und dort auf eine Vanillepflanze, die sich wie Efeu an einem Baumstamm hoch schlängelt. 

«Dank der grossen Vielfalt an lokalen Exoten fallen uns immer wieder neue kulinarische Ideen ein.»

Beim Kinderspielplatz ist der Boden mit dem sogenannten «La Lote» (Pfefferkraut) bewachsen. Wer ein Blatt lange kaut, schmeckt den Pfeffer. Daraus wird in der Küche eine grüne Butter mit leichter Pfeffernote zubereitet, die zum Brot auftischt und gratiniert auf dem Fleisch inszeniert wird.

Überraschend ist auch das Dschungel-Pesto, welches zu den Teigwaren serviert wird. Das Pesto besteht nebst Pinienkernen und Basilikum aus Blättern des Pfefferkrauts, aus Ceylon-Spinats und aus Pilzkraut. Letzteres weist eine dezente Champignon-Note auf.

In der Küche wird die üppige Ernte zu Köstlichkeiten verarbeitet

Jedes neue Menü fängt mit einem Gespräch zwischen den Köchen und den Gärtnern an. Sie wissen genau, welche Früchte reif und in welcher Menge sie vorhanden sind. Gerade ernteten sie vier Kilogramm Sternfrüchte ab, die Küchenbrigade verarbeitete sie zu Sorbet. Nicht alles wird im Haus produziert, beispielsweise die Guaven-Glace im Laden wird extern im Dorf hergestellt.

Gerade abgeerntet ist die Kaktusfeige. Der Kaktus, der sie trägt, hat die eine Seite des Gewächshauses in Beschlag genommen. Fast invasiv wirken die verschiedenen Chili-Sorten, diese lassen sich in der Haute Cuisine weniger gut integrieren, weil die Schärfe alles übertünchen würde. Daraus wird deshalb eine Currypaste zubereitet.

 

Sibrische Störe und Oona-Kaviar für kulinarische Highlights

Nicht nur in den Treibhäusern wachsen Exoten heran: Draussen in den Becken drehen Fische ihre Runden. Besucher können beim Aquarium die 80’000 sibirischen Störe observieren. Diese Fischart laichen nur alle fünf bis sieben Jahre, deshalb ist die Kaviarproduktion so aufwendig. Aufwendig ist auch die Zubereitung von Stör, denn sein Fleisch ist kompakt. Er wird nicht aus den Becken gezogen und sofort serviert, sondern nach dem Ausnehmen zwei Tagen aufgehängt. Danach ist das Fingerspitzengefühl des Kochs gefragt: Zunächst wir die Sous-Vide-Gartechnik angewandt, dann wird der Fisch im Ofen gebacken.

«Das Lieblingsgericht der Gäste im Tropengarten: Sibirisches Störfilet auf einem Papaya-Beet.»

Das Kochen mit Dschungelprodukten bringt gerade im Winter eine willkommene Abwechslung, um Knollengemüse und wenigen Sorten an Früchten einen Twist zu geben. Die exotische Zutat muss aber immer Sinn ergeben. Gerade beim Fisch ist es wichtig sorgfältig zu sein, um dessen Geschmack Platz zu lassen. Der Hauptdarsteller eines Gerichts stehe jeweils im Rampenlicht, und selbst im Tropenhaus spielt die Exotik eine Nebenrolle. Allerdings eine, die man nie vergessen wird.

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